Stv. Leiterin Poliklinik für Allergologie und klinische Immunologie am Inselspital Bern mit Spezialgebiet Hymenopterengiftallergien und Anaphylaxien, gibt Tipps, wie Sie sich nach einem Stich von einer Biene oder Wespe verhalten sollen und welche ursächliche Behandlung die Allergie bei der Wurzel packt.
"Nicht jede Hautreaktion nach einem Insektenstich ist mit einer Allergie gleichzusetzen. Systemisch-allergische Reaktionen treten innerhalb von Minuten nach dem Stich auf. Zu den betroffenen Organen gehören die Haut (Hitzegefühl, Nesselsucht, Juckreiz, Schwellungen) der Magen-Darm-Trakt (Schluckprobleme, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Stuhldrang), die Atemwege (Heiserkeit, Atemnot, pfeifendes Atemgeräusch) und das Kreislaufsystem (Blutdruckabfall, Kollaps). Beim Auftreten der ersten Symptome, welche auf eine Allergie hindeuten, soll umgehend die Notfallnummer 144 gewählt werden.
Menschen, die bereits von einer Insektengiftallergie wissen, sollten ihr Notfallset stets dabei haben. Nach jeder Systemreaktion soll immer ein Adrenalin-Autoinjektor von der Ärztin oder dem Arzt verordnet werden. Zudem sollte das Umfeld (Familie, Schule, Arbeitsplatz, etc.) über die Allergie informiert sein und über die Hilfsmassnahmen im Notfall Bescheid wissen. Um künftige Insektenstiche zu vermieden sollten die Betroffenen bei der Gartenarbeit lange Hosen, Hemden mit langen Ärmeln und Handschuhe tragen. Stark duftende Parfüms, Sonnencremes oder Shampoos sowie grell farbige Kleidungsstücke sollten vermieden werden.
Die Allergiespezifische Immuntherapie (AIT) ist die einzige wirksame Behandlung, die das Auftreten einer systemischen Reaktion bei einem erneuten Stich verhindern oder den Schweregrad verringern kann. Ein vollständiger Schutz wird bei 80-85 % der Patienten mit Bienengiftallergie und bei 95-100 % der Patienten mit Wespengiftallergien erreicht. Die AIT ist für Kindern und Erwachsene mit einer Vorgeschichte von schweren systemischen Reaktionen, sofern eine Sensibilisierung gegen das entsprechende Gift durch einen Haut- und/oder Bluttest nachgewiesen wurde, empfohlen."
Ruhe bewahren. Zugegeben, Insekten können unangenehm sein und die Angst vor Stichen ist berechtigt. Bewahren Sie trotzdem Ruhe, wenn Sie von Wespen umschwirrt werden – hektische Bewegungen oder Anpusten machen die fliegenden Störenfriede nur aggressiver.
Nicht barfuss laufen. Im Freibad, im eigenen Garten oder auf einer Wiese ist es schnell passiert: Man ist unachtsam, tritt auf eine Biene oder Wespe und wird gestochen. Besonders Bienen halten sich häufig in Bodennähe auf, da sie dort in den Blüten Nektar sammeln. Tragen Sie also lieber geschlossene Schuhe.
Helle und eng geschnittene Kleidung tragen. Bunte Kleidung zieht Insekten an – tragen Sie besser helle Farbtöne. In eng anliegenden Kleidern verfangen sich Insekten nicht so leicht.
Auf Parfum verzichten. Insekten werden von intensiven Düften angezogen. Verzichten Sie deswegen im Sommer lieber auf intensive Parfums, Cremes und Haarsprays.
Getränke mit Strohhalm trinken. Insbesondere Wespen werden stark von zuckerhaltigen Getränken angezogen und setzen sich gerne in Trinkgläser und unverschlossene Flaschen. Gefährlich wird es, wenn man versehentlich eine Wespe verschluckt und in Mund oder Hals gestochen wird. Deswegen gilt: Trinkgefässe verschliessen und immer einen Strohhalm benutzen.
Vorsicht beim Essen draussen. Bei Picknick und Grillabenden im Freien besonders vorsichtig sein. Decken Sie Speisen ab und blicken Sie zusätzlich vor jedem Bissen auf Ihr Besteck.
Distanz zu Mülleimern halten. Wespen halten sich gerne in der Nähe von Mülleimern auf, da sie dort Nahrung im Überfluss finden. Meiden Sie daher Mülleimer und benutzen Sie bestenfalls keine öffentlichen Mülltonnen. Ihren unterwegs anfallenden Abfall können Sie auch mitnehmen und zu Hause entsorgen.
Reifes Obst zügig ernten. Reifes Obst ist besonders zuckerhaltig und lockt somit umso mehr Insekten an. Achten Sie darauf, Obstbäume und Beerensträucher rechtzeitig und regelmässig zuernten, sonst haben Sie schnell mehr fliegende Besucher als Sie sich wünschen.
Zur Vorsorge eine Hyposensibilisierung ins Auge fassen. Eine Hyposensibilisierung bietet Allergikern wirkungsvollen Schutz vor einem potenziell lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock. Die sogennannte Allergie-Immuntherapie (AIT) wird von der WHO ausdrücklich empfohlen.
Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Hemmer (AT): Betroffene sollten sich ca. vier Wochen nach dem Stich an an eine spezialisierte Fachärztin/einen spezialisierten Facharzt wenden. Dazu gehören z.B. Allergolog*innen, Kinderärzt*innen usw.. Allergie-Spezialisten können eine sichere Diagnose durchführen, Medikamente für den Notfall verschreiben, die Patient*innen kompetent über ihre Risiken aufklären und gemeinsam mit ihnen eine adäquate Therapie festlegen.